Die Private Equity Branche war lange Zeit auf dem Erfolgspfad. Aktuell sieht sie sich allerdings fundamentalen Herausforderungen gegenüber, die nach einem Kulturwandel in PE-Gesellschaften verlangt.
2021 war das Peak Year der PE-Branche. Noch nie war das eingeworbene Kapital so hoch. Das Gesamt-Fundraising Volumen der Private Markets betrug in diesem Jahr laut Prequin 1.184 Billionen US$. Und mit einer gepoolten IRR (Internal Rate of Return) von 27% war die PE-Branche 2021 mal wieder die am besten performende Asset Class.
In 2022 hat der Wind allerdings ordentlich gedreht. Die veränderten ökonomischen Rahmendaten, die galoppierende Inflation und die daraus resultierenden steigenden Zinsen, der zunehmende regulatorische Druck, demographische Veränderungen, steigende Materialkosten, der Klimawandel etc. haben das PE-Geschäft inzwischen deutlich erschwert.
2023 sieht die Lage noch angespannter aus. Finanzinvestoren stehen damit vor bisher nicht gekannten Herausforderungen. „Die Notenbanken heben die Zinsen an. Private Equity fehlt damit Fremdkapital für Übernahmen. Einige Beteiligungsunternehmen dürften in Schieflage geraten“, so das Handelsblatt im Januar 2023.
Ganz ähnlich diagnostiziert der Economist bereits im Sommer 2022: „Private equity may be heading for a fall. The era of rising valuations and cheap debt is over.” Selbst vor Insolvenzen sind die Portfolio-Unternehmen von PE-Investoren immer weniger geschützt.
Dies stellt das klassische Selbstverständnis vieler PEs vor deutliche Herausforderungen. Lange hatte die Branche von dem Grundsatz gelebt, dass „Kaufen zum Verkaufen“, also das Erwerben eines Unternehmens zu seiner späteren Weiterveräußerung, eine sehr viel höhere Rendite erwirtschaftet als das klassische Kaufen von Unternehmen oder Unternehmensteilen „zum Behalten“.
Laut Eileen Appelbaum und Rosemary Blatt von der London School of Economics sind Private Equity Unternehmen daher auch weniger als Unternehmer im herkömmlichen Sinne zu verstehen, denn eher als finanzielle Akteure:
„Private equity firms are financial actors that sponsor investment funds that raise billions of dollars each year. The funds typically buy out high-performing companies using high amounts of debt and plan to resell them in a five-year window – promising investors outsized returns in the process. They propose to do this through a combination of operational improvements and financial engineering techniques.”
Im Gegensatz zu anderen finanziellen Akteuren (wie z.B. Pensionsfonds oder Familien) greifen sie dabei jedoch durchaus in das Management der Gesellschaften ein, in die sie investieren. Ihr Gewinn resultiert dabei neben einem finanziellen Re-Engineering meist daraus, dass sie bei Ihren Beteiligungsunternehmen Ineffizienzen beseitigen und die Produktivität erhöhen. Damit schaffen sie nachweislich Wert und initiieren im Idealfall auch wichtige Veränderungen in Unternehmen.
Private Equity Gesellschaften sind daher keineswegs immer der „Devil“ (Josh Lerner), für die sie so manche in der öffentlichen Diskussion halten, selbst wenn sich kritischen Stimmen dazu häufen und die Regulierungsbemühungen von Seiten der Politik aktuell zunehmen.
Problematisch ist es allerdings, wenn sich PE-Gesellschaften, wie in der Vergangenheit häufig der Fall, primär auf ein reines Finanzmanagement und die Optimierung von Kosten und Prozessen bei ihren Beteiligungsgesellschaften fokussieren.
Wachstumspotenziale (jenseits von „Buy und Build“), neue Geschäftsfelder, Sortimentsstrategien, Produktinnovationen, Neuausrichtung von Marketing und Sales…, sind dagegen Themen, aus denen sich viele PEs in der Vergangenheit eher herausgehalten und die sie meist dem Management ihrer Portfolio-Unternehmen überlassen. Selbst in der Screening- und Bewertungs-Phase neuer Beteiligungen durch PE-Firmen werden diese Themen unserer Erfahrung nach eher am Rande behandelt.
Es verwundert daher nicht, wenn selbst die stark PE-orientierte Beratungsgesellschaft Bain jüngst larmoyant feststellt: „The data is clear: Private equity returns have come largely from multiple expansion in recent years, rather than from revenue and margin growth.”
Dieser Ansatz hat in Zeiten niedriger Zinsen und günstiger Refinanzierungs-Möglichkeiten zwar gut funktioniert.
In Hochinflations- / Hochzinsphasen müssen PE-Manager jedoch umdenken. In diesen können sie ihren Return on Invest nicht mehr alleine nur durch finanzielle Multiple- und Arbitrage-Effekte realisieren. Vielmehr braucht es dazu mehr denn je ein organisches Wachstum.
Dazu Bain weiter: “Build your organic growth story. Outside of emerging technologies, ebbing GDP growth and stagnant- to-declining populations will limit market expansion in many industries. That means growth will have to come at the expense of competition. Strategies to gain share and add addressable markets through adjacency expansion will become the core tools for successful PE investors.
This last point is probably the most underestimated way to drive value at portfolio companies. We’ll say it again: The best way to generate differentiated performance in a slow-growth environment is by taking market share from competitors.
For many GPs, this isn’t a core competency, and few portfolio company CEOs give it the attention, investment, and resourcing needed to really move the needle. Often, it requires building capabilities in areas like pricing, salesforce optimization, and market definition—the bread-and-butter aspects of business improvement. It is also critical to approach the challenge systematically, creating repeatable processes, not one-off initiatives.”
Eine stärkere und systematischere Auseinandersetzung mit den „Brot und Butter“ Aspekten erfolgreichen Unternehmertums ist dabei v.a. auch Hinblick auf den Umgang mit Innovationen notwendig.
Anders, als von vielen PE-Gesellschaften behauptet, fallen die Investitionen nach Buyouts nämlich häufig geringer aus, als erwartet, zumindest wenn es um längerfristige Innovationsthemen geht, die sich nicht unmittelbar in erhöhten Umsätzen niederschlagen.
So hat bspw. Steven Neil Kaplan von der Chicago University Booth Business School in einer 1989 im Journal of Financial Economics veröffentlichen Studie festgestellt, dass PE-finanzierte Unternehmen und Übernahmen ihre Operating Margin, ihren Cashflow und ihren Unternehmenswert zwar steigern konnten, ihre Zukunftsinvestitionen aber reduzierten.
In einer im März 2023 für das SEC Investor Advisory Committee Meeting erstellten Präsentation kommt Kaplan zwar zu einem insgesamt positiven Resümee, was den ökonomischen Wertbeitrag von PE-Gesellschaften anbetrifft, wobei er u.a. auf verschiedene Studien verweist, die in jüngerer Zeit einen eher positiven oder zumindest neutralen Effekt von PE-Übernahmen auf Innovationen festgestellt haben (siehe hierzu z.B. Lerner et al. 2011 sowie McGrath and Nerkar 2023).
Allerdings gibt es durchaus auch gegenläufige empirische Studien, auf die Kaplan fairerweise ebenfalls hinweist, so z.B. Cumming et al. 2020, die nachweisen, dass bspw.die Zahl der Patentanmeldungen und Patentzitate bei institutionellen Buyouts deutlich geringer ausfällt.
Entscheidender als nur der Blick auf die Frage „Förderung von Innovationen ja oder nein“ ist dabei v.a. ein kritischer Blick auf die Art von Innovationen, für die PEs bereit sind Geld auszugeben.
So sehen beispielsweise PE-Gesellschaften Investitionen in die Digitalisierung von Portfolio-Unternehmen durchaus als wichtigen Value Driver für einen späteren Exit und können daher wichtige Transformationen in dieser Hinsicht anstoßen.
Dies tun sie in der Regel jedoch nur, wenn sich diese Investitionen auch noch während der eigenen Halteperiode in einem erheblichen Umsatzplus niederschlagen. Womit sie sich allerdings selbst auch erhebliche Wertsteigerungspotenziale verschließen, da sich nachhaltige Digitalisierungserfolge in etablierten Märkten und Unternehmen häufig erst nach Jahren einstellen und daher Zeit brauchen.
Gerade die in den letzten Jahren immer mehr in Mode gekommenen Secondary- und Mehrfach-Buyouts führen zu einer Orientierung auf primär kurz- und mittelfristige Zeithorizonte, und verhindern somit den Aufbau längerfristiger Erfolgspotenziale.
Dieses Problem verschärft sich in Zeiten steigender Zinsen und enger werdender Finanzierungsspielräume umso mehr, da PE-Investoren zur Erreichung ihrer Renditeziele Investitionsvorhaben eher kürzen oder ganz einstellen, statt diese weiter voranzutreiben.
Dabei gilt für Innovationsinitiativen in Hochzinsphasen etwas ganz Ähnliches, wie es die Unternehmensberatung Bain & Co. für den Bereich des organischen Wachstums festgestellt hat (siehe oben):
Neue Technologien verschaffen den Zugang zu neuen Märkten, sie ermöglichen höhere Absatz-Preise, schaffen Wettbewerbsvorteile und helfen Marktanteile zu steigern. Nicht selten führen sie sogar zu einer Reduktion der operativen Kosten. Mitunter sind sie sogar unerlässlich, um zu verhindern, dass Portfolio-Unternehmen gleich ganz vom Markt gedrängt werden, da ihr Geschäftsmodell durch neue technologische Lösungen ersetzt wird.
In ihrem White Paper “How can private equity firms transform to find new routes to value creation - Preparing for the NextWave of Private Equity” kommt die Unternehmensberatung EY ganz in diesem Sinne zu dem Schluss: “Embracing digital is less an option than a necessity”.
Ganz ähnlich äußert sich Clément Mengue, Director Deals Strategy for emerging, growth & disruptive technology bei PwC Germany: “As technology continues to advance and the importance of digital transformation to value creation keeps rising, what lies ahead for PE firms? In my view, the key to success going forward will be to constantly connect with innovation and understand what early-stage technologies and businesses are disrupting the market.“
Anlass genug für einen dringend benötigten Kulturwandel in der PE-Branche zu sorgen, um neben der Orientierung auf finanzielle Ziele wie Kosteneffizienz und interne Verzinsung auch zentrale unternehmerische Themen wie organisches Wachstum, systematisches Business Building, Innovation und nachhaltige Digitalisierungserfolge mit in den Blick zu nehmen.