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Transformation des Außen

# Die transaktionale Dimension der Führung

Auch wenn dieses Werk primär eines über die inneren Aspekte von Führung und ihrer notwendigen Transformation in Zeiten der Digitalisierung sein soll, so kommt man doch bei der Beschäftigung mit Führungsfragen um eine Betrachtung des „Außen“ nicht herum.

Nicht nur die Kultur, die Wahrnehmungsmuster und Verhaltensweisen, also das Innere von Führung, muss sich in digitalen Zeiten schließlich verändern, sondern auch der Umgang mit Strategien und Zielen, Strukturen und Prozessen, Produkt- und Serviceangeboten sowie Steuerungs-, Kontroll- und IT-Systemen von Unternehmen etc., die wir als die äußere transaktionale Dimension der Führung bezeichnen.

Führungskräfte tragen für deren Gestaltung eine erhebliche (Mit-) Verantwortung. Nur bei einer richtigen Verzahnung der „inneren“ und „äußeren“ Aspekte der Unternehmensführung, kann die digitale Transformation gelingen.

Natürlich haben die meisten Unternehmen längst schon begonnen, ihre Marktangebote, Strategien, Strukturen, Prozesse und Systeme auf die Herausforderungen der Digitalisierung anzupassen. Wie wir an verschiedenen Stellen in diesem Werk bereits aufgezeigt haben, ist ein Grundproblem jedoch häufig in der damit verbundenen Hybris (Selbstüberschätzung) zu sehen: Eine kurze Reise ins Silicon Valley schafft noch keine neue Innovationskultur im Unternehmen, ein Digital Lab in Berlin allein wird das eigentliche Kernunternehmen nicht in das digitale Zeitalter katapultieren können und eine neue Website sorgt nicht gleich für einen E-Commerce-Erfolg.

# Wunsch und Wirklichkeit

Das auch im „Äußeren“ der Führung vieler Unternehmen im Hinblick auf die Digitalisierung noch erhebliche Differenzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit bestehen, belegen zahlreiche Studien. So kommt beispielsweise Ernst & Young in einer Digitalisierungsstudie zu dem Schluss: „Am Wirtschaftsstandort Deutschland könnten Milliardeninvestitionen in die Digitalisierung vorbeigehen – weil das nötige Wissen fehlt und die Unternehmen für diesen Bereich nicht genügend Mittel übrighaben.“ Es mangelt jedoch nicht nur an Fachkräften und an Investitionskraft, sondern meist auch an einer klaren Vorstellung darüber, wohin die Digitalisierungsreise im eigenen Unternehmen überhaupt gehen soll.

„Es wäre wichtig, dass sich das Thema Digitalisierung vom Hype weg und hin zu einer umsetzbaren Strategie entwickelt.“ Markus Heinen, Partner bei Ernst & Young

Hierzu stellt Markus Heinen, Partner bei Ernst & Young und Leiter der Strategieberatung für EMEIA (Europa, Mittlerer Osten, Indien und Afrika) fest: „Es wäre wichtig, dass sich das Thema Digitalisierung vom Hype weg und hin zu einer umsetzbaren Strategie entwickelt. Es werden viele Projekte angestoßen, doch vielfach passiert das eher nicht abgestimmt bzw. unkoordiniert. Helfen würden Leitlinien, die eine Richtung vorgeben und konkrete Schritte priorisieren, damit Digitalisierung als wichtiger Bestandteil des künftigen Wirtschaftswachstums immer mitgedacht wird.“

Neben dem Fehlen einer richtigen Leitstrategie sind es häufig auch strukturelle Hindernisse, die eine Nachvornentwicklung in Richtung einer erfolgreichen Digitalisierung verhindern. Hinreichend bekannt ist das Beispiel schwerfälliger Hierarchien und eines administrativen Wasserkopfs in großen Konzernen, die notwendige Innovationen verhindern.

Mindestens genauso problematisch sind jedoch pseudo-demokratische Strukturen, die man heute in vielen Unternehmen findet: Dort werden zu jedem Thema regelmäßig breite Verteilerkreise involviert (Stichwort: E-Mail an alle). Um die Führungskraft eines Dax-Unternehmens zu zitieren: „Bei uns ist es häufig so, dass ein kleines Team oder sogar Einzelpersonen eine gute Idee entwickeln. Dann werden dazu aber meist 2030 Leute befragt. Das verwässert die Idee dann und heraus kommt dann eine Wischiwaschi-Lösung, die vielleicht einem guten Kompromiss entspricht, der aber leider auch alle innovativen Spitzen genommen wurden.“

Das zeigt sich nicht nur bei der erstaunlich einfallslosen Gestaltung vieler Websites und Webkonzepte. Dramatischer ist es, wenn durch derartige Kompromisslösungen ganze Geschäftsmodelle und Unternehmensexistenzen gefährdet werden.

# Drei Beispiele aus der Praxis

In einem Beratungsprojekt für einen weltweit führenden Hersteller von Gebrauchsgütern ging es vor einigen Jahren u.a. darum herauszufinden, wie man wichtige neue digitale Vertriebskanäle für eine seiner Marken erschließen könne. Die Marke, die jedes Jahr einen zweistelligen Millionenverlust realisierte, war zum damaligen Zeitpunkt so gut wie noch gar nicht im Online-Vertrieb erhältlich und hatte darüber hinaus im Offline-Vertrieb erhebliche Einbußen durch Auslistungen hinnehmen müssen.

Gegen die Online-Offensive, die von einigen mittleren Managern vorangetrieben wurde, gab es – trotz aller eindeutigen Prognosen und Benchmark-Studien von außen – erhebliche Widerstände, und zwar interessanterweise von unten wie von oben.

Heraus kam am Ende keine klare Online-Strategie, sondern ein windelweicher Kompromiss. Das Ergebnis: Die Marke hat es bis heute nicht geschafft, ihr Millionendefizit zu verringern, weshalb sich die Konzernspitze weiterhin aktiv mit der Frage auseinandersetzt, ob die Marke eingestellt werden soll.

Das zweite Beispiel betrifft einen europaweit führenden Handelskonzern. Bei der Entwicklung eines strategischen Leitbilds für das Digitalgeschäft vor ca. zehn Jahren wurden von uns gemeinsam mit dem Projektteam zahlreiche Ideen entwickelt, die heute im Online-Geschäft eine Selbstverständlichkeit sind: Dazu zählte u.a. die direkte Vernetzung von Online- und Offline-Kanälen im Sinne eines „Omni-Channel“ Marketings, der konsequente Auf- und Ausbau von starken digitalen Eigenmarken und die gezielte Nutzung von „Rich Content“ zur Impulsgebung in umfassenden „Customer Journey“-Anstoßketten. Das Problem dabei: Das Leitbild wurde zwar vom Vorstand verabschiedet, aber – zumindest in den ersten Jahren und im Kerngeschäft des Unternehmens – nicht wirklich umgesetzt.

Während sich das Unternehmen an den Rändern durch Aus- und Neugründungen sowie flankierende Geschäftsfelder erfolgreich weiterentwickeln konnte, hat es in seinem Kernbereich vor einigen Jahren erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. Hierauf hat das Unternehmen zwar inzwischen reagiert. Es gilt heute sogar als Vorbild für eine gelungene digitale Transformation eines klassischen Unternehmens. Diese hätte allerdings noch erfolgreicher ausfallen können, wenn man sich den notwendigen Transformations-Erfordernissen früher und konsequenter gestellt hätte.

Eine ganz ähnliche Entwicklung könnte dem deutschen Lebensmitteleinzelhandel mit dem Start von „Amazon Fresh“ drohen, um zum dritten Beispiel zu kommen. Zwar basteln die meisten LEH-Unternehmen bereits seit einigen Jahren an E-Commerce-Konzepten herum, aber eben nicht wirklich konsequent.

Das Erstaunliche daran ist: Gerade das Beispiel Amazon Fresh belegt, dass die Digitalisierung häufig viel weniger disruptiv daherkommt, als viele annehmen. Laufburschen, die einem vorbestellte Waren nach Hause bringen, die gab es schließlich schon zu Zeiten der „Tante Emma“-Läden. Und wenn man die zahlreichen Auslieferer von Amazon heute nicht mehr nur durch die Innenstädte fahren sieht, sondern immer häufiger auch laufen, dann fühlt man sich irgendwie an Indien und das dort seit Jahrzehnten existierende Phänomen der „Dabbawallas“ erinnert. Diese bringen dort den Mitarbeitern ihr Essen von zu Hause quer durch die ganze Stadt ins Büro. Nichts anders, nur eben erleichtert durch digitale Medien, macht letztendlich Amazon Fresh.

Auch die Ankündigung von Amazon Fresh nun einer neuen „Bricks & Mortar“-Strategie folgend in die Innenstädte vordringen zu wollen, um dort „Convenience Stores“ zu eröffnen, ist alles andere als disruptiv. Zum einen haben vor Amazon schon eine Vielzahl anderer Online-Player den Weg ins Offline-Geschäft gewagt (MyMuesli oder Notebooksbilliger.de lassen grüßen). Zum anderen gibt es Convenience-Stores schon lange (7-Eleven, Tankstellenshops und Spar Express sind hierzu nur einige Beispiele von vielen).

Warum es dennoch berechtigt ist, dass klassische LEH-Anbietern wie Lidl und Aldi angesichts von Amazon FreshSchweißperlen auf die Stirne“ bekommen, wie Gerrit Heinemann, Handelsprofessor an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach jüngst in der ZEIT festgestellt hat, hängt nicht nur mit der hohen Logistik- und Kundenservicekompetenz von Amazon zusammen.

Vielmehr ist es die Fähigkeit von Amazon, etablierte Ansätze wie das Convenience-Konzept mit anderen ebenfalls bereits bekannten Ansätzen (z.B. dem Drive-through-Einkauf) zu verknüpfen. Neue digitale Technologien (z.B. automatische Nummernschildererkennung, die für eine möglichst effiziente Abwicklung sorgen) sind dabei im Wesentlichen nur ein zusätzlicher „Enabler“, nicht aber Wesenskern des Geschäftsmodells an sich.

Inzwischen scheinen die meisten LEH-Anbieter auf diese Herausforderungen zu reagieren. Jedenfalls haben sie ihre Digitalinitiativen in den letzten Monaten noch einmal erheblich verstärkt. Ähnlich die Tankstellenbetreiber, die sich neben der Elektrifizierung der Automobilität z.B. über Kooperationen mit Amazon oder DHL mehr und mehr auch auf den digitalen Wandel ihres Shopgeschäftes einstellen.

„Es ist keine Zauberei, die Amazon betreibt.“ d.lead

Betrachtet man die hier aufgeführten drei Beispiele, so stellt sich schon die Frage, warum es vielen etablierten Unternehmen bis heute so schwerfällt, die Herausforderungen der Digitalisierung auch auf das eigene Kerngeschäft zu übertragen. Es ist ja schließlich keine Zauberei, die Amazon da betreibt, sondern im Prinzip nichts anderes als die konsequente Umsetzung einer guten Strategie und die Schaffung von mehr Kundennutzen.

Warum muss erst ein Shopping-Club wie Westwing entstehen, damit auch etablierte Händler erkennen, dass die Präsentation von Möbeln im Internet nicht aussehen muss wie „Rudis Resterampe“?

Warum braucht es erst FinTechs wie Oscar, Metromile oder SURE damit Versicherungskonzerne verstehen, dass Versicherung auch einfacher gehen kann?

Warum erst neue „Robo Advisor“ wie z.B. Liqid, Scalable Capital oder Easifolio, damit Banken und Vermögensberater einsehen, dass die Qualität der Beratung und Nachvollziehbarkeit von Investitions- und Anlageentscheidungen für den Verbraucher deutlich zunehmen muss?

Warum muss erst einen „Pure Online Player“ wie Zalando auftauchen, damit es Modeanbietern gelingt, das „Ich schrei vor Glück“-Gefühl beim Erwerb eines tollen Modestücks auch auf das Internet zu übertragen?

Und warum braucht es erst Amazon Fresh und dessen Vorstoß in die Innenstädte, damit auch der klassische LEH kapiert, dass es nicht nur online, sondern auch stationär reale Bedürfnisse von Kunden nach mehr Convenience gibt, die man erfolgreich bedienen kann und sollte?

Was aber kann man tun, um nicht abzuwarten, bis der Wettbewerb einen zwingt auf die neuen digitalen Herausforderungen zu reagieren?

Wie sollte man in digitalen Zeiten als Führungskraft den Umgang mit den eigenen Strategien und Zielen, Strukturen und Prozessen, Produkt- und Serviceangeboten sowie Steuerungs- und IT-Systemen gestalten, dass das Unternehmen fit wird für das digitale Zeitalter?

Wie verhindert man, dass man die eigene Organisation dabei überlastet?

Und wie viel Aufbruch muss man trotzdem wagen, um nicht an Relevanz am Markt zu verlieren?

1. Ebene: Strategie + Ziele

Dass Unternehmen klare Ziele und eine saubere Strategie brauchen, um in sich verändernden Umfeldern erfolgreich zu sein, ist ein alter Hut. Die entscheidende Frage in Zeiten der Digitalisierung ist allerdings, ob Strategiefindung in den turbulenten Umfeldern von heute nicht gänzlich anders aussehen muss als bisher?

Wer in digitalen Zeiten zunehmend agil, flexibel und offen sein will, sollte dies auch bereits bei seiner Strategiefindung und Zielfindung berücksichtigen.

Nicht ohne Grund gewinnen neue Ansätze wie eine „agile Strategieentwicklung“, „rapid strategizing“ und „flexible roadmaps“, die eben diese erhöhte Agilität, Flexibilität und Offenheit direkt in den Strategieentwicklungsprozess zu integrieren versuchen, immer mehr an Bedeutung.

„Die stetige Synchronisierung der eigenen Strategievorhaben mit den sich immer rascher verändernden Umfeldern wie auch der frühzeitige Einbezug aller Stakeholder in diese Synchronisierungsprozesse sind wesentliche Elemente eines agilen Strategieverständnisses.“ d.lead

Sucht man ein Beispiel dafür, wie solche Prozesse konkret aussehen können, so findet man diese z.B. im Buch „Agile Strategy Management“ von Soren Lyngso. In bewusster Abgrenzung zu dem, was den Strategieprozess in der Vergangenheit meist ausgemacht hat, beschreibt er die Strategieentwicklung nicht mehr als eine klar abgegrenzte, zeitlich fixierte Einbahnstraße, sondern als einen Prozess der kontinuierlichen Verbesserung und des „Alignments“.

Die stetige Synchronisierung der eigenen Strategievorhaben mit den sich immer rascher verändernden Umfeldern wie auch der frühzeitige Einbezug aller Stakeholder sind dabei wesentliche Elemente eines solchen Strategieverständnisses.

Ganz ähnlich sehen die dynamischen Verfahren der Strategieentwicklung aus, die dem Scrum-Ansatz folgen, der aus dem Bereich der agilen Softwareentwicklung stammt.

Große Strategievorhaben wie die einer umfassenden Digitalisierung werden hierbei nicht mehr gesamthaft in Megaprojekten umgesetzt, sondern in strategische Teilprojekte zerlegt, die dann in kreativen Sprints von kleinen Teams abgearbeitet, in Testkonzepte umgesetzt und mit Feedbackschleifen versehen wieder in den Strategieprozess zurückgespielt werden.

Im Vorfeld derartiger Scrum-Prozesse erfolgt (ähnlich wie im klassischen Strategieprozess) eine sorgfältige Analyse der Ausgangslage sowie damit verbundener Optionsräume für das Unternehmen. Allerdings mündet diese Analyse dann nicht mehr in einen starren Plan, sondern im Idealfall in flexible Szenarien und Roadmaps.

Agile Strategieentwicklungsprozesse sehen also tatsächlich anders aus, als man das von traditionellen Planungsrastern her kennt. Agile Strategieentwicklungsprozesse sind von kurzen Planungsphasen mit schellen Implementierungen und direkten Feedbackschleifen gekennzeichnet.

Abb. 11: Kennzeichen agiler Strategieentwicklungsprozesse (© hm+p)

Für Führungskräfte in Unternehmen ist ein solcher Strategieprozess mit verschiedenen Herausforderungen verknüpft. Zum einen sind sie, zumindest wenn sie an der Spitze des Unternehmens angesiedelt sind, diejenigen, die derartige agile Strategieprozesse selbst zulassen, gestalten und aktiv vorantreiben müssen. Sie sind und bleiben selbst unter hochagilen Rahmenbedingungen der oberste „Product Owner“ und „Scrum Master“ im Strategieprozess.

Genau hierin besteht eines der größten Missverständnisse agiler Strategieprozesse. Diese sollten nämlich keinesfalls „führungslos“ sein und nur auf kreativen Brainstorming-Sitzungen und endlosen Chatprotokollen beruhen. Vielmehr verlangt gerade das Scrum-Verfahren ein hohes Maß an Disziplin und innerer Führung, aber auch nach dem Freiraum des Teams, das dann nicht an der erstbesten Klippe der internen Strukturen, Politik und Befindlichkeiten scheitern darf.

“Gerade in digitalen Zeiten  muss man ein Gespür dafür entwickeln, wo man die Leinen locker lassen kann und wo man sie auch mal enger führen muss.“ d.lead

Eine der größten Herausforderungen für Führungskräfte in digitalen Zeiten besteht daher auch darin, die strategische Richtungskompetenz und notwendige Supervising-Funktion beizubehalten und dennoch, v.a. bei der Umsetzung und den damit verbundenen Lern- und Feedbackschleifen, hochautonome Sprints zuzulassen.

Sie müssen im Einzelfall sehr genau zu unterscheiden wissen, wann es angebracht ist, die Leinen mal etwas enger zu führen und wann etwas lockerer. Knowing where to go ‚tight’ and ‚loose’, darin besteht laut Linda Holbeche, Autorin des Buches „The agile organization (How to build an innovative and resilient business) daher auch die Hauptherausforderung für Unternehmen in agilen Zeiten.

Im Sturm ist nicht die Zeit, das Schiff zu überholen, deshalb ist es umso erstaunlicher, dass viele Unternehmen wichtige Veränderungen und Entscheidungen so lange herauszögern, bis sie dringend werden. Wer sich also bereits im Sturm befindet, sollte sich auf das Wesentliche konzentrieren, um wieder in ruhigere Gewässer zu gelangen. Das heißt für Führungskräfte auch, bei Teams, die sich im Sturm befinden, nicht ständig hineinzufunken.

Hinzu kommt eine weitere Herausforderung: Der Begriff „SPRINT“ legt nahe, dass Teilprojekte schnell und mit hoher Geschwindigkeit zu erbringen seien. Geschwindigkeit ist wichtig. Geschwindigkeit darf aber nicht zum Selbstzweck werden und zum Synonym für Hektik und Substanzlosigkeit. Wichtiger als der Aspekt des Tempos ist bei Projekt- und/oder Strategiesprints v.a. der Aspekt der „Fokussierung“ und der Gleichmäßigkeit der Geschwindigkeit an sich.

Genau daran mangelt es jedoch gerade in digitalen Zeiten immer häufiger: Projekt-, Strategie-, Innovations-, Führungsmeetings, ohne dass jemand zu spät kommt, früher weg muss und während des Meetings dauernd seine E-Mails checkt oder eben schnell zum Telefonieren den Raum verlässt? Kaum noch möglich. Dabei sind gerade die Unternehmen erfolgreich, denen es in Zeiten der Digitalisierung gelingt, sich auf eine Sache zu konzentrieren und diese erfolgreich voranzutreiben.

Führungskräfte sind daher gut beraten, ihre Mannschaft nicht einfach nur zu mehr Projektsprints anzutreiben, sondern ihnen auch den Raum und die Ruhe zu gönnen, sich auf einige wenige dieser Sprints zu konzentrieren – im Idealfall sogar nur auf einen einzigen.

Es lohnt sich in diesem Zusammenhang, noch einmal einen näheren Blick auf die Values zu werfen, welche die Scrum-Alliance aufbauend vom sogenannten „Agile Manifesto“ (2001) abgeleitet hat und die sich sehr gut auch auf Strategie- und andere Entwicklungsprozesse im Unternehmen übertragen lassen

Nicht ohne Grund steht dort als Leitwert ganz oben der Wert „Fokus“.

i) Fokus

Weil wir uns auf wenige Dinge gleichzeitig fokussieren, arbeiten wir gut zusammen und leisten ausgezeichnete Arbeit. Wir generieren dann wertvolle Ergebnisse früher.

ii) Mut

Weil wir als Team arbeiten, fühlen wir uns unterstützt und haben Zugriff auf mehr Ressourcen. Das gibt uns den Mut, größere Herausforderungen anzugehen.

iii) Offenheit

Während wir zusammenarbeiten, teilen wir miteinander, wie es uns geht, was uns im Weg steht, unsere Sorgen, sodass wir uns dieser annehmen können.

iv) Commitment

Weil wir in großem Maße Einfluss auf unsere Geschicke haben, sind wir dem Erfolg mehr verschrieben.

v) Respekt

Weil wir in unserer Zusammenarbeit Erfolge und Niederlagen teilen, respektieren wir einander ebenso, wie wir einander helfen respektabel zu sein.

2. Ebene: Strukturen und Prozesse

Was sind Unternehmen? Ansammlungen von Kapital, Ressourcen, Technologien, Menschen und Maschinen, die Produkte und Dienstleistungen erbringen? Richtig. Aber nicht nur.

Schon Max Weber hat in den 1920er-Jahren deutlich gemacht, dass Unternehmen vor allem „Organisationen“ sind, deren erfolgreiches (oder auch nicht erfolgreiches) Handeln sehr stark von der Art der Strukturen und Prozesse abhängt, die in diesen Unternehmen vorhanden sind.

Seit Max Weber hat es unzählige Untersuchungen gegeben, die sich mit dem Wesen dieser Strukturen und ihren Wirkungen auf das Unternehmensergebnis beschäftigt haben. Zu hohem Ansehen haben es dabei die beiden Wirtschaftswissenschaftler Alfred Chandler und Oliver E. Williamson gebracht. Sie haben in ihren Untersuchungen jeweils deutlich gemacht, wie sich im 20. Jahrhundert viele Unternehmen ihre Strukturen von der funktonalen U-Fom (Unitary Form), in der alle wesentlichen Entscheidungen in der Corporate Zentrale gebündelt waren, mehr und mehr in Richtung einer M-Form oder auch MDF-Form (Multi-Divisional Form) entwickelt haben. In dieser M-Form wurde die Verantwortung vor allem für operative Fragen mehr und mehr auf verschiedene semi-autonome Divisionen übertragen, die von einer zentralen Holding über Finanzziele geführt wurden.

Eine Weiterentwicklung dieser M-Form stellt die sogenannten Holding-Organisation (H-Form) dar, bei der neben der finanziellen Steuerung meist auch Strategieaufgaben an der Spitze gebündelt werden.

Alfred Chandler hat 1962 auch das berühmte Diktum „structure follows strategy“ aufgestellt, nachdem die Struktur immer zur Strategie passen muss. Inzwischen weiß man aber, dass auch die Umkehrung gilt. Tatsächlich sind es nämlich auch in digitalen Zeiten meist strukturelle Hindernisse, welche die Umsetzung von neuen Strategien verhindern.

Die Realität in den meisten Unternehmen sieht dabei allerdings so aus, dass sie heute weniger eine puristische U-Form, M-Form oder H-Form aufweisen, sondern häufig Mischformen davon (auch X-Form genannt). Eine typische Ausprägung der X-Form ist die sogenannte „Matrix-Struktur“, bei der beispielsweise funktionale Teams und regionale Teams gemeinsam für die Umsetzung konkreter Aufgabenstellungen zuständig sind. Matrixstrukturen sind auch bei der Umsetzung vieler ICT- und Digitalprojekte nach wie vor sehr verbreitet (z.B. wenn IT, Marketing und Strategie gemeinsam für den Launch neuer Digitallösungen zuständig sind).

Zwar ermöglichen solche Matrixstrukturen die Berücksichtigung verschiedener Perspektiven und ein gezieltes Schnittstellenmanagement. Das Problem ist nur, dass sie den Abstimmungs- und Administrationsaufwand enorm steigern. Hinzu kommt ein weiteres Problem:

In vielen Unternehmen existieren neben der primären Organisation, die häufig bereits selbst matrixhaft aufgebaut ist, sogenannte sekundäre Projektorganisationen, die von eigenen projektbezogenen Gesetzmäßigkeiten geprägt sind (P-Form). Auch im Digitalumfeld findet man häufig solche sekundären Projektorganisationen. Neben der Alltagsarbeit sollen dann bunt zusammengewürfelte Projektteams das Erklimmen der nächsten großen Stufe auf der Digitalisierungsleiter ermöglichen. Das kann gelingen, kann aber auch ordentlich schiefgehen, wenn diese Projektteams nicht über das notwendige Digitalisierungs-Know-how verfügen (was durch die Integration von externen Ressourcen mitunter ausgeglichen werden kann) oder aber zeitlich wie ressourcentechnisch mit der Bewältigung dieser Zusatzaufgabe einfach überfordert sind.

In digitalen Umfeldern zunehmend „en vogue“ (aber auch kein neues Phänomen, sondern im Prinzip in den 1980er-Jahren erfunden) ist die virtuelle Organisation (V-Form). Hier wird gleich ganz auf klare Organisationsstrukturen verzichtet.

„Durch die Virtualisierung der Organisation wird die ganze Wertschöpfungskette optimiert und die Ausrichtung auf individuelle Kundenbedürfnisse verbessert.“ d.lead

Laut Gabler Wirtschaftslexikon handelt es sich bei der virtuellen Organisation um „eine Form der Netzwerkorganisation (...), die sich aus mehreren, eher kleinen und überschaubaren Einheiten zusammensetzt (Modularisierung) und sich durch einen mehr oder weniger umfangreichen Einsatz gemeinsamer Informations- und Kommunikationstechnik auszeichnet (...). Durch die Virtualisierung soll die gesamte Wertschöpfungskette optimiert und die Ausrichtung auf individuelle Kundenbedürfnisse verbessert werden.“

In ihrer Extremform lösen sich in der virtuellen Organisationsform Unternehmensstrukturen gleich gänzlich auf. Hier arbeiten dann freie Einheiten nur noch temporär unter massivem Rückgriff auf ICT-Technologien zusammen, um nach Abschluss eines Projektes wieder auseinanderzugehen oder sich für das nächste Projekt neu zu formieren. Ein Beispiel für die Umsetzung liefert beispielsweise die Entwicklung der Blockchain-Technologie, die weitgehend in solchen virtuellen Netzwerken entstanden ist.

Eine deutlich softere Variante der V-Form stellt dabei die neue Office-Organisation von Microsoft dar. Hier gibt es nach wie vor klare Funktionsbeschreibungen und zumindest über einen gewissen Zeitraum hinweg gültige Abteilungsstrukturen mit definierten Teams. Allerdings haben die Mitarbeiter keinen festen Arbeitsplatz mehr und werden aktiv dazu angehalten, nur noch einen Teil ihres Arbeitstages tatsächlich im Office zu verbringen und für ihre Abstimmung mit Teamkollegen auf neueste ICT-Lösungen statt persönlicher Treffen zurückzugreifen.

Derartige neuartige Organisationsmodelle erscheinen für die meisten Unternehmen auf den ersten Blick nur schwer adaptierbar. Richtig ist, dass viele Unternehmen in Kernbereichen immer noch auf Standardprozesse angewiesen sind, die sich – zumindest für einen gewissen Zeitraum – in stabilen Strukturen besser abbilden lassen als mit flexiblen, amöbenartigen Projektstrukturen.

Umgekehrt ist jedoch auch auffällig, wie flexibel heute selbst Kernbereiche des Unternehmens wie die Fertigung aufgestellt sind und wie teilautonom die jeweiligen Teams dabei jeweils agieren können, während andere Bereiche (z.B. die Unternehmensadministration) dabei häufig noch nach recht starren Mustern agieren.

Sucht man nach einem Leitbild, wie man mehr Agilität im Kernunternehmen verankern kann, ohne dabei auf die Vorteile einer gewissen Standardisierung und Fokussierung zu verzichten, so bietet sich hierfür beispielhaft das Unternehmen GORE an.

GOREs „Lattice“-Organisationsstruktur (auch L-Form genannt) ist ein flache Hierarchie, die auf einem eng vernetzten, gitterähnlichen System flexibler Verbindungen zwischen sogenannten „Associates“ beruht. Diese Associates bilden rund um eine konkrete Aufgabe (z.B. die Entwicklung, Markteinführung und Vermarktung) temporär fixe Fokusteams. Die Lattice-Organisation kommt dabei ohne Chefs und Manager im herkömmlichen Sinn aus. Was aber keinesfalls die Abwesenheit von jeglicher Führung bedeutet. Es gibt dort nur keine klassische, festgelegte Rangordnung.

Vielmehr übernimmt man dort nur dann eine Führungsrolle, nachdem man sich aufgrund seiner fachlichen sowie sozialen Kompetenz den Respekt seiner Kollegen verdient hat und dadurch mit der Unterstützung des Teams rechnen kann. Die Team Heads werden dabei jeweils aus der Mitte der „Associates“ gewählt.

Auch wenn die L-Form von GORE, wie jede andere Organisationsform auch, mit gewissen Herausforderungen zu kämpfen hat, so hat sie sich doch seit Jahren erfolgreich am Markt behauptet.

Dass sie sich auch für die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten eignet, liegt auf der Hand. Sie verbindet nämlich die Vorteile einer zumindest für einen gewissen Zeitraum fixen Struktur mit einer gesteigerten Flexibilität. Kurze Entscheidungswege, flache Hierarchien, vor allem aber die Möglichkeit sich klar und ausschließlich auf eine Aufgabe konzentrieren zu können und für deren Erfolg auch Verantwortung übernehmen zu können und zu müssen, sind auch für Digitalprojekte höchst geeignet.

Ganz ähnlich arbeitet die sogenannte Scrum-Organisation (S-Form), in der für die Entwicklung eines bestimmten „Produktes“ Teams zusammengestellt werden. Die Teams arbeiten weitgehend autonom, wobei der sogenannte „Product Owner“ die fachlichen Anforderungen definiert und priorisiert und der „Scrum-Master“ den Prozess managt und Hindernisse beseitigt. Gesteuert werden diese Teams dabei über avancierte Tools wie z.B. „Sprint Backlogs“.

Abb. 12: Klassische versus digitale Formen der Organisation (© hm+p)

Führungskräfte, die sich für derartige neue Arbeitsweisen interessieren, müssen ja nicht gleich die gesamte Arbeitsstruktur ihrer Unternehmen an solchen Leitbildern ausrichten. Diese aber gerade bei der Umsetzung von digitalen Strategieprojekten einmal auszuprobieren, liegt nahe und erzeugt häufig positive Spill-Over-Effekte für das Restunternehmen.

3. Ebene: Produkte, Marken, Sortimente, Serviceangebote

Kaum ein Bereich der äußeren Führung von Unternehmen scheint so immanent von der Digitalisierung betroffen, wie das Angebot von Produkten, Marken, Serviceangeboten, mit denen ein Unternehmen Geld verdient.

Egal ob man nun ein Hersteller von Investitionsgütern, wie z.B. Siemens oder GE ist, der feststellt, dass sich die eigenen Hardware-Lösungen eigentlich nur noch dann gut verkaufen lassen, wenn sie gleich mit intelligenten Software-Paketen zu ganzheitlichen Systemlösungen verschmolzen sind, oder aber, ob man ein Dienstleistungsunternehmen wie z.B. Allianz (Versicherungen), Sixt (Autovermietung), Visa (Kreditkarten) oder Metro (Handel) ist, und sich durch innovative digitale Geschäftsmodelle von Uber über Oscar und Klarna bis hin zu Hello Fresh herausgefordert sieht, oder aber, ob man ganz einfach Unilever, Miele oder Gira heißt und feststellt, wie sehr die Wahrnehmung und das Kaufverhalten im Hinblick auf die eigenen Produkte bereits von digitalen Einflussfaktoren geprägt ist – es ist umso faszinierender, wie stark Produkt- und Serviceaspekte immer noch aus dem Denken vieler Führungskräfte verbannt sind.

Noch immer dominieren zumindest in vielen etablierten Unternehmen Disziplinen wie Finanzen, Produktion und Controlling das unternehmerische Handeln, nicht jedoch Innovation, Marketing und Vertrieb, die mindestens genauso wichtig für den Unternehmenserfolg sind.

„Wirkliche „Product Maniacs“ sind in den meisten Unternehmen eher selten zu finden.“ d.lead

Sieht man von einigen wenigen Branchen einmal ab – z.B. der Automobilindustrie, gewissen Hightech-Unternehmen, in denen eine hohe Technik- und Produktkompetenz unerlässlich ist sowie einigen FMCG-Unternehmen mit hoher Marketingkompetenz bis in die Führungsspitze hinein – dann wird man leicht feststellen können, dass es in vielen Unternehmen an einer entsprechenden Produkt-, Sortiments-, Marken- und Kundenkompetenz an der Spitze fehlt. Wirkliche „Product Maniacs“ mit einem ausgeprägten Verständnis für Kundenbedürfnisse, neue Trends und einem Gespür für gutes Marketing, wie etwa Steve Jobs dies war, sind dort jedenfalls eher selten zu finden.

Dies rächt sich nicht zuletzt in Zeiten der Digitalisierung. Die Vorteile der Digitalisierung lassen sich nämlich nur dann wirklich erschließen, wenn es gelingt, mittels neuer technologischer Möglichkeiten marktfähige Produkt- und Serviceangebote zu schaffen, die dem Kunden wirklich einen Nutzen bieten.

Hierbei stellen neue digital ermöglichte Ansätze, wie z.B. eine stärkere Nutzerintegration (user integration), digitale Konsumentenreisen (customer journeys), designorientierte Denkweisen (design thinking), schnelle Prototypenentwicklung (rapid prototyping) und interaktive Tests (rapid testing), wichtige Hilfsmittel dar. Sie ersetzen aber nicht eine saubere Konzeptionsphase, für die es neben dem Kennen neuer digitaler Tools auch um Dinge wie Erfahrung, Einfühlungsvermögen und um Intuition (business acumen) geht.

Letztendlich ist es das, was neue Start-ups erfolgreich macht, dass sie diese beiden Kompetenzbereiche miteinander verknüpfen. Genau das Gleiche gilt natürlich auch für starke Innovationsteams, die es ja in vielen etablierten Unternehmen ebenso gibt.

Selbstverständlich geht es bei einer solchen sauberen Konzeptionsarbeit auch darum, alte Lösungen hinter sich lassen zu können und gezielt kreative neue für sich zu erschließen. Das bedeutet aber keineswegs die Abwesenheit jedweder systematischen Konzeptionsarbeit: Etablierte Innovationsmethoden wie z.B. TRIZ beinhalten schon seit Jahrzehnten nicht nur die bewusste Suche nach Analogien, sondern auch nach Brüchen, Gegensätzen, disruptiven Veränderungen.

Wer sich einmal genau anschaut, was große digitale Player wie Google, Amazon oder auch Apple auszeichnet, so ist dies keineswegs nur die Abwesenheit jedweder Struktur im Konzeptionsprozess. Im Gegenteil: Kaum ein Unternehmen betreibt so systematisch Innovation wie diese. Und kaum eines meldet derart viele Patente an.

„Die neuen kreativen Innovationstechniken, auf die sich die Start-ups im Silicon Valley so gern berufen, stoßen immer häufiger an Grenzen.“ d.lead

Hinzu kommt, dass die neuen kreativen Innovationstechniken, auf die sich die Start-ups im Silicon Valley so gern berufen und die inzwischen Heerscharen von Managern der alten Schule an Institutionen wie der d.school in Stanford vermittelt bekommen, immer häufiger selbst an Grenzen stoßen, weil sie nicht mehr die gewünschten Ergebnisse liefern.

Alberto Savoia hat vor diesem Hintergrund die Idee des „Pretotyping“  (Vorstufe von Prototypen) bzw. „Pretendotyping“ (von englisch pretend = so tun als ob) geboren. Dies bedeutet im Prinzip nichts anderes, als dass man seine Idee bereits in Frühphasen austestet (am besten, bevor jede Menge Geld der Investoren in diese geflossen ist).

Auch diese Vorgehensweise ist allerdings nicht wirklich neu: Innovationsforscher haben schon vor Jahrzehnten darauf hingewiesen, dass viele neue Produkte daran scheitern, dass man sie in Frühphasen nicht ausreichend sauber konzipiert und ausgetestet hat.

Man darf und sollte daher auch in digitalen Zeiten Innovation nicht als kreative Einbahnstraße begreifen, sondern als einen Prozess, in dem kreatives Denken und systematische Herangehensweisen konsequent miteinander verheiratet werden.

Ein viel größeres Problem, dass in vielen Unternehmen in ihrem Umgang mit Produkten, Services und Marken besteht, ist dagegen aus unserer Sicht in einem ganz anderen Bereich zu finden, nämlich in dem einer zunehmenden Potenzierung des „Overloads“ an Produkten, Dienstleistungsangeboten und Marketingbotschaften, der sowieso schon vorher bestanden hat.

Dieser Overload wird durch die Digitalisierung noch deutlich erhöht:

  • Freie Konfiguration von Produkt und Serviceangeboten: In Zeiten digitaler Kommunikationswege keine besondere Herausforderung mehr.
  • Delivery on demand 24/7 whereever you want: Fast schon ein „Must have“ für viele Anbieter.
  • Punktgenaue Marketingbotschaften je nach individuellen Bedürfnissen, Suchverhalten, Präferenzmustern: Eine Selbstverständlichkeit in Zeiten von Big Data und permanenter SEO/SEA-Optimierung.

Es herrscht mittlerweile eine regelrechte „digitale Umweltverschmutzung“: Zu viele neue Produkte, Marketingbotschaften, Informationen, Daten, nur leider häufig nicht die richtigen ...

„Big Data ohne Big Idea ist keine Lösung.“ André Kemper, Gründer & Geschäftsführer, Antoni

Einige wichtige Fragen bleiben dabei meist unbeantwortet: Wer soll das alles bezahlen? Bringt das wirklich immer etwas? Und kann man fehlende Kreativität tatsächlich durch mehr Daten ersetzen? Wohl kaum. André Kemper hat dies Anfang Februar 2017 im Spiegel folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Big Data ohne Big Idea ist keine Lösung.“

Ein schönes Beispiel zum Thema „überbordener Angebote“ aus dem Bereich der Consumer Electronics liefert der Bereich der sogenannten „Wearables“: Laut einer Umfrage von Gartner landet inzwischen jeder dritte Fitness-Tracker in der Schublade. Die Statistiken über die tägliche Schrittzahl oder die Anzahl der Stunden im Tiefschlaf verlieren nach ein paar Wochen ihre Faszination.

Tatsache ist, dass viele Unternehmen heute überbordende Sortimente mit sich herumtragen und dass mit der Verschlankung dieser Sortimente häufig deutliche Profitabilitätssteigerungen verbunden sind. Tatsache ist ebenfalls, dass Konsumenten mit der überbordenden Angebotsvielfalt im Internet häufig überfordert sind.

500 verschiedene Spülmaschinenangebote, 1.000 verschiedene Fußbodenvarianten, 10.000 mögliche Einbauküchenkombinationen in meinem ganz persönlichen Küchenkonfigurator: Brauche und will ich das tatsächlich alles, wenn ich im Prinzip nur meine Küche daheim renovieren will? Und will ich dafür individuelle Konfigurationsprogramme aus dem Internet downloaden müssen, die mir Speicherplatz auf meinem Rechner blockieren?

Zahlreiche Marktforschungsstudien jedenfalls belegen, dass Kunden eher weniger als mehr kaufen, wenn sie in der Angebotsvielfalt untergehen. Deshalb haben die Herausforderungen an eine saubere Sortimentsaufstellung in Zeiten der Digitalisierung auch nicht ab-, sondern eher zugenommen.

Gleiches gilt ebenso für die Kommunikation und Verkaufsförderung. Durch die neuen digitalen Möglichkeiten hat sich der Kommunikations- und Promotionsmix zunächst einmal potenziell enorm verbreitert.

„Die Markenführung ist (in Zeiten der Digitalisierung) viel komplexer geworden, da jeder Kanal individuell bespielt werden muss.“ Marco Schubert, Head of Brand Management, OTTO Hamburg

Das heißt aber keineswegs, dass man deshalb gleich in die Breite schießen muss, um am Markt erfolgreich zu sein. Vielmehr gilt gerade wegen der Ubiquität und Breite digitaler Kommunikationskanäle, dass man auch hier sehr genau schauen sollte, wie und wo man dort vertreten ist, um am besten in Kontakt mit seinen Kunden zu treten und seine Botschaften richtig zu platzieren.

Schaut man sich jedenfalls die Praxis an, so ergibt sich doch ein recht erstaunliches Bild: Die Digitalisierung der Marketingarbeit wird dort linear mit dem Versprechen einer quasi inhärenten Steigerung der Marketingeffizienz verknüpft. De facto sind die Ineffizienzen im Marketing jedoch immer noch enorm oder werden durch falsch eingesetzte digitale Tools sogar noch vergrößert.

Jetzt mal ehrlich:

  • Führt jeder Website-Relaunch wirklich zum Erfolg?
  • Wird jede App wirklich vom Kunden genutzt?
  • Wird jedes YouTube-Produktvideo tatsächlich häufig genug gesehen?
  • Ist jeder Facebook-Eintrag oder jede Twitter-Meldung wirklich hilfreich?
  • Ist jeder Euro für Google-Werbung oder Facebook Targeting wirklich richtig ausgegeben?
  • Braucht jedes Unternehmen tatsächlich jetzt, sofort und unbedingt VR-Brillen am Point of Sale, (selbst wenn einem dies so mancher aus Flugzeugen springende Agenturchef gerade weiszumachen versucht).

Natürlich braucht jedes Unternehmen heute eine intelligente Strategie für seine Digitalkommunikation und ist gut beraten, diese mit einer schlagkräftigen Content-Strategie zu verbinden. Aber eben eine intelligente Strategie und keine, die auf dem Prinzip der Schrotflinte aufsetzt oder aber mit einem scheinbaren „Targeting“ tatsächliche Ineffizienzen überdeckt.

Wie groß die Ineffizienzen und Unsicherheiten im digitalen Marketing immer noch sind, hat im Herbst 2016 die W&V unter der Überschrift „Digitales Dickicht“ dargelegt. Dort äußerten sich zahlreiche Marketing-Heads, u.a. von Procter & Gamble selbstkritisch über den überzogenen Digitalhype im Marketing der letzten Jahre. Dabei wird sehr offen auch auf die zahlreichen Scheinrationalisierungen und fragwürdigen Selbstlegitimierungen vieler Online-Plattformen hingewiesen. Auch die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) kommt allen Optimierungsbehauptungen der meisten Onliner zum Trotz zu dem Urteil: „Die Transparenzdefizite sind nicht behoben.“

Die neuen technologischen Möglichkeiten nehmen einem also die Aufgabe einer sauberen Marken- und Marketingführung keineswegs ab. Wenn man beispielsweise feststellt, dass man nach dem Kauf eines Produktes noch wochenlang mit Werbung zu eben diesem Produkt im Internet bombardiert (um nicht zu sagen genervt) wird, dann zeigt sich, dass selbst in digitalen Zeiten, Kommunikation, wenn man sie nicht richtig betreibt, trotz aller automatischer Steuerung schnell danebengehen kann.

Gerade weil man in digitalen Zeiten immer mehr Fachkompetenzen braucht, um mit den jeweiligen Spezialdisziplinen (SEO/SEA, Social Media, E-Commerce, Content-Marketing, digitale POS-Systeme, E-Learning etc.) richtig umzugehen, benötigt man immer auch Führungsstrukturen und -prozesse, die diese unterschiedlichen Disziplinen richtig organisieren und zusammenhalten.

Selbstverständlich können und sollten bei der Umsetzung von einzelnen Marketingprojekten Scrum-Ansätze und Projektsprints probate Mittel der Wahl sein. Auch liefern interaktive Markenplattformen sowie automatisierte Big-Data-Lösungen wichtige Hilfestellungen, z.B. bei der Steuerung internationaler Marketing- und Vertriebsteams. Sie ersetzen jedoch keineswegs die Notwendigkeit einer immer noch weitgehenden analogen Konzertierung dieser Einzelmaßnahmen durch entsprechend kompetente Führungskräfte und Führungsteams an der Spitze.

Marketing erfordert, gerade um in Zeiten des digitalen „Multioptionalismus“ noch klare Markt- und Markenbotschaften senden zu können, immer noch ein gehöriges Maß an analoger Steuerung. Wer das übersieht, wird schnell zu einer Allerweltsmarke oder zu einem Allerweltsprodukt, das in den Fluten des weiten digitalen Universums unterzugehen droht.

Um genau das zu verhindern, muss man alte und neue Marketingtugenden miteinander verbinden. Nicht zuletzt durch gemischte Teams, in denen Markenexperten mit Digitalexperten zusammenarbeiten. Markenexperten sind wichtig, weil sie meist besser als die Digital Natives verstanden haben, dass es zum Aufbau und Erhalt einer starken Marke immer auch eines gewissen Maßes an Disziplin und Redundanz bedarf. Digital Natives sind wichtig, weil sie auf der Klaviatur neuer Kommunikationsinstrumente geschickt zu spielen wissen.

Beide Seiten brauchen gemeinsam eine klare Partitur, weil ohne diese naturgemäß kein tolles Musikstück herauskommen kann. Genau an einer solchen Partitur mangelt es jedoch im digitalen Marketing häufig. Zwar enthält jede Digital-Strategie meist auch klare Marketingziele in Form von Click-Raten, Visits, Leads und Real Transactions. Was jedoch dabei meist fehlt, ist eine Einigung und Festlegung auf klare Botschaften, Inhalte, Tonalitäten.

Unternehmen, die eine solche Partitur brauchen, dafür aber im eigenen Haus nicht die richtigen Köpfe haben, begehen häufig den Fehler, sich allein auf externe Partner, z.B. Agenturen, zu verlassen. Agenturen können wichtige Impulsgeber für die Weiterentwicklung der eigenen Marke sein. Die strategische Markenführung sollte jedoch – nicht nur aus Kostengründen – immer im Unternehmen selbst verankert bleiben. Wer die Markenführung ausschließlich an seine Agenturen übergibt, unterschreibt damit quasi eine Lizenz zur ständigen Neuerfindung der Marke. Agenturen verdienen schließlich ihr Geld mit der Neuentwicklung von Kampagnen.

Natürlich muss gerade in digitalen Zeiten die Marke immer auch einen Neuigkeitswert bieten, sonst tendiert nach den Gesetzen der Informationstheorie ihr Aktivierungsvermögen irgendwann gegen Null. Anderseits muss jedes Unternehmen, jede Marke auch Anschlussfähigkeit zum bisher Dagewesenen produzieren, sonst geht sie genauso im Meer der digitalen Möglichkeiten unter. Um genau das sicherzustellen, ist eine Verankerung der Markenführung im Unternehmen selbst erforderlich – am besten an der Spitze.

Ein Mittel, um beides miteinander zu verbinden – die Verankerung einer veritablen Brand Governance® im Inneren und die Sicherstellung von Kreativität, Know-how und frischen Impulsen von außen – sind gemischte Marketingteams. Hier arbeiten interne Marketingmitarbeiter und externe Sparring-Partner in gemeinsamen Task-Force-Sprints zusammen. Derartige Lösungen findet man im Marketing leider immer noch viel zu selten. Dabei sind sie in anderen Bereichen (z.B. bei „Resident Engineers“ im Innovationsmanagement) schon Alltag. Es ist also längst an der Zeit, auch im Marketing neue Wege auszuprobieren, ohne die alten gleich gänzlich verlassen zu müssen.

Abb. 13: Merkmale einer digitalen Marketing & Brand Governance® (© hm+p)

4. Ebene: Steuerungs-, Controlling- und Incentive-Systeme

Für den Erfolg digitaler Transformationsprozesse ist es wichtig, nicht nur die Art der eigenen Führungskultur zu verändern, die Strukturen und Prozesse adäquat umzugestalten und innovative Produkt-, Service- und Vermarktungskonzepte zu entwickeln, sondern auch die unternehmerischen Steuerungssysteme (Zielsysteme, Belohnungssysteme, Controllingsysteme) anzupassen.

Hier besteht in der Praxis leider häufig immer noch ein erheblicher „Disconnect“:

  • Wenn etwa ein Automobilkonzern die Elektrifizierung und Digitalisierung der Mobilität vorantreiben will, aber die Zielsysteme wie Investitionsplanungen im Unternehmen immer noch schwerpunktmäßig „Benzin“ (oder gar Diesel) im Blut haben, dann wird es schwerfallen, sich von einem Automobilkonzern tatsächlich zu einem Mobilitätsanbieter zu wandeln.
  • Wenn der Chef einer Versicherungsgruppe die klare Zielsetzung vorgibt, das Unternehmen müsse sich konsequent digitalisieren, die Vergütungssysteme des Unternehmens aber nach wie vor auf das Belohnen einer möglichst hohen Zahl klassisch „analoger“ Verträge ausgerichtet sind, dann kann die Digitalisierung wohl kaum gelingen.
  • Wenn ein Unternehmen den Online-Kanal für sich erschließen will, das Vertriebscontrolling diesen aber noch nicht einmal in die eigenen Planungs- und Kontrollraster integriert hat, dann ist eine systematische Marktbearbeitung kaum möglich.

Womit wir beim Thema „Controlling“ angekommen wären. Auch hier ist die „digitale Transformation“ schon längst angekommen. Diese soll nicht einfach nur die Datenanalyse vereinfachen, sondern dem Controlling eine ganz neue Rolle im Unternehmen zuweisen, weg von einer rein erfassenden und auswertenden hin zu einer beratenden und gar prognostischen Kernfunktion im Unternehmen.

Das Unternehmen PwC prognostiziert in seinem White Paper „Digitale Transformation im Controlling“ vier Stufen der Digitalisierung im Controlling:

  1. Insellösungen: In der ersten Welle der Digitalisierung werden mittels digitaler „Insellösungen“ mit vielen Schnittstellen überschaubare Datenmengen meist noch on demand durch das Controlling gesammelt und aufbereitet.
  2. Integrierte Systeme: In der zweiten Welle der Digitalisierung analysiert das Controlling weitgehend autonom unternehmensweite Daten auf der Basis harmonisierter Systemlandschaften mit nur noch wenigen Schnittstellen.
  3. Digitale Identität: In der dritten Welle nimmt das Controlling auf der Basis vollintegrierter digitaler Systemlandschaften mit automatisierten Schnittstellen die Funktion eines Managementberaters wahr.
  4. Digitales Ökosystem: In der vierten Welle verfügt das Controlling neben automatisierten internen Schnittstellen auch über automatisierte Schnittstellen zu externen Datenquellen. Polystrukturierte Datenmengen werden in die Analyse einbezogen und innovative Cloud-, Big-Data- und Business-Intelligence-Technologien genutzt.

Das Unternehmen Gartner spricht in diesem Zusammenhang ähnlich von vier Entwicklungsstufen des Bereichs „Business Analytics“, die von „Descriptive Analytics“ (What happened?), über „Diagnostic Analytics“ (Why did it happen?) bis hin zu „Predictive Analytics“ (What will happen?) und „Prespective Analytics“ (How can we make it happen?) reichen.

Wie das Zukunftsszenario der 4. Stufe unter Umständen aussehen könnte, haben Michael Kieniger, Uwe Michel und Walid Mehanna von Horvath & Partners jüngst in einem Fachbeitrag zum Thema „Controlling im digitalen Zeitalter“ beschrieben.

Für sie ist die digitale Unternehmenssteuerung neben rein digitalen Geschäftsmodellen und der zunehmenden Digitalisierung von bestehenden Produkten, Dienstleistungen und Wertschöpfungsprozessen die entscheidende dritte Dimension einer voranschreitenden Digitalisierung. Kernelement einer solchen digitalen Unternehmenssteuerung werden dabei ihrer Ansicht nach „Big Data“ und „Predictive Analytics“ sein:

„Durch Big Data und quantitative Predictive-Analytics-Modelle werden teils hoch automatisiert Forecasts aus granularen Daten generiert, die eine höhere Treffsicherheit als traditionell erstellte Forecasts haben. Vergangenheitsbezogene Auswertungen verlieren an Bedeutung und der Forecast wird zum wesentlichen Startpunkt für Analysen. Auf dieser Grundlage werden nach vorne gerichtete Maßnahmen erarbeitet, um die prognostizierte Entwicklung positiv zu beeinflussen. (...)

Durch die hohe Automatisierung reduziert sich der Aufwand für die Forecast-Erstellung signifikant. Die Effizienz des Entscheidungsprozesses nimmt aufgrund der optimierten Aufsatzpunkte zu, während die aktive Steuerung durch zukunftsgerichtete Maßnahmen die Effektivität verbessert.“

Der Einsatz neuer Technologien führt ihrer Meinung nach also unweigerlich zu mehr Agilität und kontinuierlichen Optimierungen im Prozess, unabhängig von klassischen Planungs- und Steuerungszyklen:

„Automatisierte Analysen verkürzen die Reaktionszeiten, ermöglichen ‚Hochfrequenzentscheidungen’ und führen laufend zur Ad-hoc-Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen. Die ex-post- und abweichungsorientierte Steuerungslogik wird durch eine explorative Real-time-Optimierungslogik ergänzt: Daten werden unabhängig von Plan/Ist- oder Plan/Forecast-Abweichungen nach Optimierungspotenzialen durchsucht. Die kontinuierliche Optimierung der Werttreiber führt zu Produktivitäts- und Effizienzgewinnen unabhängig vom Planungs- und Reportingzyklus. Die Modelle zur Identifikation neuer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge werden kontinuierlich weiterentwickelt.

Automatisierungen steigern die Effizienz, während Qualität und Geschwindigkeit von Entscheidungen durch Predictive Analytics und maschinelles Lernen verbessert werden.“

„Der Faktor Mensch spielt weiterhin eine wichtige Rolle.“ Michael Kieniger, Uwe Michel Walid Mehanna, Horvath & Partners

Dennoch, und das ist beruhigend: Auch derartig hochautomatisierte Controlling- und Steuerungsprozesse kommen – selbst nach Auffassung der Experten von Horvath und Partners – nicht ohne den Faktor Mensch aus:

Der Faktor Mensch spielt weiterhin eine wichtige Rolle als Korrektiv bei disruptiven oder irregulären Entwicklungen und Effekten sowie bei der Validierung der Ergebnisse aus den Predictive-Analytics-Modellen.“

Noch sind die hier beschriebenen Szenarien Zukunftsmusik. Es ist jedoch fraglich, wie lange noch. Laut einer aktuellen PwC-Studie sind neun von zehn Industrieunternehmen der Ansicht, dass die Fähigkeit große Datenmengen nicht nur zu erheben, sondern auch adäquat zu analysieren in den nächsten Jahren für ihr Geschäftsmodell entscheidend sein wird.

Rein digitale Geschäftsmodelle zeichnen sich bereits heute dadurch aus, dass ihr wesentlicher Wert weniger in der reinen Produktion, sondern ganz klar im Umgang mit Informationen liegt. Entsprechend ausgefeilt sind die dabei häufig genutzten Business-Intelligence-Lösungen, die neben hinreichend bekannten Werkzeugen wie Web Analytics und Web Controlling in der Regel die gesamte digitale Wertschöpfungskette (Digital Procurement, Digital Products, Digital Marketing & Distribution, Digital Contracting, Digital Payment, Digital After Sales Services, Digital CRM etc.) umfasst.

Die Hauptherausforderung für viele, vor allem mittlere und kleinere Unternehmen besteht allerdings darin, dass sie von einem derart hohen Grad der Vernetzung und Datenintegration noch weit entfernt sind. Hinzu kommt, dass sie es in ihrem Kerngeschäft eben gerade nicht mit einer rein digitalen Wertschöpfungskette zu tun haben (bei der die Daten quasi automatisch aus den Systemen fließen), sondern in vielerlei Hinsicht noch mit analogen Wertschöpfungsprozessen.

Die Konsequenz: Die Planungs-, Steuerungs- und Kontrollsysteme in diesen Unternehmen befinden sich noch ganz deutlich auf der zweiten oder gar ersten Stufe des von PwC beschriebenen vierstufigen Entwicklungsprozesses und daher noch meilenweit entfernt von dem Szenario, wie es etwa die Experten von Horvath & Partners beschreiben.

Der Fehler, den diese Unternehmen dann häufig begehen, ist, dass sie versuchen, unter dem Einsatz massiver neuer Technologien quasi von jetzt auf gleich den Sprung ins digitale Controllingzeitalter zu schaffen. Die Konsequenzen daraus sind häufig erhebliche Friktionen und Ineffizienzen in der Anwendung.

Unternehmen, die hier noch Defizite aufweisen, sind gut beraten, stattdessen lieber ein stufenweises Vorgehen zu wählen, dass im Prinzip genau dem von PwC aufgezeigten Entwicklungspfad entspricht.

Am Anfang sollte auch hier die Entwicklung eines „Controlling-Leitbildes“ stehen, also die Beantwortung der Frage, wo man mit dem eigenen Controlling hin will und wie man das über eine zielführende Roadmap erreichen möchte.

Darauf aufsetzend ist es wichtig, zunächst einmal die eigenen KPI’s zu überprüfen. Stimmen diese noch mit der Gesamt-Roadmap des Unternehmens überein? Erfasse ich überhaupt aktuell die richtigen Daten? Wie plane ich? Sind dabei alle relevanten, auch neuen Bezugsgrößen, erfasst?

Ein Beispiel, das illustriert, warum hier in vielen Unternehmen immer noch Handlungsbedarf besteht, liefert das Vertriebscontrolling. Viele Unternehmen weisen Online-Absatz in ihren Marktrastern immer noch als eindimensionale Größe aus. Dabei ist das Online-Segment heute derart ausdifferenziert, dass in den meisten Märkten eine differenzierte Betrachtung (B2B, B2C, Pure Online Player, Multi-Channel-Anbieter, Shopping-Clubs, Vergleichsseiten etc.) unerlässlich ist. Plant und erfasst man diese nicht getrennt, so ist auch keine saubere Marktbearbeitung möglich.

Erst auf Basis einer solchen substanziellen Überprüfung macht es Sinn, auch einen technologischen Entwicklungspfad für das Controlling zu erarbeiten und nicht umgekehrt, wie das in der Praxis leider immer noch häufig der Fall ist.

„Neue digitale Technologien sollten helfen Controlling-Prozesse zu verschlanken. Nicht diese künstlich aufzublasen.“ d.lead

Das Gute daran ist: Neue digitale Technologien wie z.B. Cloud-Lösungen und intelligente BI-Tools müssen die Prozesse nicht unbedingt künstlich aufblasen. Richtig eingesetzt können sie sogar helfen, diesen zu entschlacken und – wie Peter Drucker aufgezeigt hat – Manager von Routinetätigkeiten zu entlasten, damit sie sich mehr Zeit nehmen können, über die Zahlen nachzudenken und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, statt diese nur in Excel-Tabellen zu übertragen.

5. Ebene: IT-Systeme

Eine der größten Herausforderungen, mit denen Unternehmen in Zeiten der Digitalisierung konfrontiert sind, ist sicherlich die Anpassung der IT-Landschaft im Unternehmen.

Viele Unternehmen stecken hier in einem Dilemma: Einerseits brauchen sie neue Technologien, um die Digitalisierung vorantreiben zu können. Laut Alain Ozan, Vice-President Technology bei Oracle betrug das Durchschnittsalter von Enterprise Software 2014 noch 20 Jahre. Diese Software wurde also entwickelt lange bevor das Internet breiten Einsatz fand.

Ein Grund hierfür ist nicht zuletzt in der Tatsache zu sehen, dass die Einführung neuer Enterprise-Systeme meist hohe Kosten und massive Friktionen bei der Umstellung/Einführung mit sich bringt. Interessanterweise hat dies in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich die Austauschzyklen von Unternehmenssoftware nicht verkürzt, sondern zum Teil sogar verlängert haben.

Lag etwa der durchschnittliche „Replacement Cycle“ bei ERP-Software (ein Bereich, in dem Unternehmen im Vergleich zu anderen Software-Bereichen noch relativ häufig Anpassungen vornehmen) 2005 noch bei 5,1 Jahren, so betrug dieser laut dem Research-Unternehmen Ventat 2014 schon 6,4 Jahre.

Hinzu kommt eine weitere Herausforderung: Digitalisierung hat nicht ausschließlich etwas mit Software zu tun. Keine Frage, Software ist wichtig, aber Hardware ebenso. In Zeiten des Internet of Things, des immer wahrscheinlicher werdenden autonomen Fahrens, von Industrial Robotics, Advanced Automation und Embedded Security wird die Hardware-Dimension der Digitalisierung, die sie im Prinzip immer schon besessen hat, noch offensichtlicher. Am Ende ist es die Interaktion von intelligenter Hard- und Software in smarten Systemen, die für den Erfolg der Digitalisierung wichtig ist.

Was aber tun, wenn man erkennt, dass die eigene Soft- oder auch Hardware im Unternehmen an die Herausforderungen der Digitalisierung nicht anschlussfähig ist?

So haben so manche Krankenversicherungen zwar bereits eine App, auf der die Versicherungsnehmer ihre Belege einreichen können und bereits nach zwei Tagen eine Erstattung erhalten, die Abrechnung kommt jedoch weiterhin per Post, beigefügt noch einen Einreichungsbeleg. Auf Nachfrage erklärt dann ein Mitarbeiter, dass das System bislang noch nicht einmal unterscheiden kann, auf welchem Wege die Belege eingetroffen sind, um wenigstens den Einreichungsbeleg wegzulassen. Daran, dass eine Antwort direkt innerhalb der App erfolgt, sei derzeit überhaupt nicht zu denken.

Auch hier ist festzustellen, dass viele Unternehmen in den vergangenen Jahren häufig „Workarounds“ geschaffen haben. Sie haben erkannt, dass ihre bestehende IT-Abteilung in den vergangenen Jahren häufig (ressourcentechnisch wie menschlich) überfordert war, den Anforderungen der Digitalisierung zu entsprechen, bzw. es zu teuer oder auch zu kompliziert gewesen wäre, diese komplett an die neuen Herausforderungen der Digitalisierung anzupassen, und so haben sie häufig Parallellandschaften geschaffen.

Two Speed IT“ hieß entsprechend das Zauberwort der letzten Jahre. Während die klassische IT-Abteilung noch mit Standardlösungen und Entwicklungsprozessen nach dem Wasserfallmodell operierte, wurden Neuprojekte mit agilen Methoden und neuesten Technologien (Cloud Computing, IaaS, PaaS, SaaS etc.) umgesetzt.

Inzwischen weiß man, dass eine solche geteilte Herangehensweise vielleicht kurzfristig geeignet sein kann, IT-Herausforderungen in Teilbereichen (z.B. bei der Unterstützung eines digitalen Spin-Offs) zu lösen, nicht aber um die Kernherausforderungen in der inneren IT-Struktur des Kernunternehmens selbst in den Griff zu bekommen. Das potenziert nur die Schnittstellenprobleme zwischen den alten Legacy-Systemen und neuen agilen IT-Lösungen. Im Ergebnis entsteht eine „System Landscape“, die noch stärker ausdifferenziert ist, als sie vorher bereits war.

„Two-Speed IT“, dieses Schlagwort hatte in den letzten Jahren zunehmend auch eine organisatorische Komponente, dass nämlich neben dem CIO häufig noch die Funktion eines CDO eingeführt wurde. Auch in dieser personellen Doppelung kommt ein Dilemma zum Ausdruck, das viele Unternehmen bis heute bewegt.

# Old IT legacy meets new digital disruptiveness

Es ist nur zu menschlich, dass an der Schnittstelle zwischen diesen Bereichen viele Konflikte entstehen. Das Problem dabei ist nur: Diese Konflikte übertragen sich häufig auf die ganze Organisation und lähmen diese erheblich, und zwar weit über den eigentlichen IT-Bereich hinaus.

Entsprechend selbstkritisch hat die Unternehmensberatung BCG, die das „Two Speed IT“-Konzept vor einigen Jahren noch selbst stark propagiert hatte, im August 2016 in ihrem Hausmagazin „BCG Perspectives“ das Ende dieses Trends ausgerufen.

„Back in 2012, as established companies began to make a serious push into digital, BCG advocated a concept known as ‘two speed IT’. It was something of a compromise—a very necessary one. If IT organizations were going to support digital initiatives, they needed to work in faster, more flexible, more collaborative ways. Yet management often viewed these methods—based on principles set out in 2001 in the Agile Manifesto—as untested and maybe even a bit wonky. Two-speed IT was a way of saying, Don’t worry: you can use the new techniques for new areas like digital, and the traditional approach for mission-critical core functions.

It was a good idea at the time, but times have changed. Today, two-speed IT is a compromise that companies can no longer afford to make. The future of IT is one speed: all-agile. That’s not just because agile has proved itself at countless startups and major technology companies—and for all types of software development, digital and nondigital alike. It’s not just because agile’s footprint is expanding to industries like banking and insurance. And it’s not just because today’s companies can draw on fleshed-out playbooks when implementing agile. More than anything, it’s because two-speed IT creates—or will create—significant challenges for companies that continue to employ it.“

Das Kernproblem von Two-Speed IT besteht also v.a. darin: „It creates problems“.

BCG macht dabei vor allem drei Probleme aus, die sich als wesentlicher Hemmschuh für eine funktionierende „Two Speed IT“ erwiesen haben:

  1. Die Schwierigkeit, gute Leute zu kriegen und zu halten. Wirklich gute Leute finden das Austoben in agilen Projekten frustrierend, wenn sie auf der anderen Seite tagtäglich erleben müssen, dass ein wirklicher Erfolg der von ihnen vorangetriebenen agilen Projekte durch alte Legacy-Systeme erheblich behindert bis unmöglich gemacht wird.
  2. Die Mentalität, sich schnell nach vorn zu bewegen, gemischt mit der Kultur, abwarten zu müssen: It leads to ‘hurry up and wait’: Fast-moving projects will often run up against—and be delayed by—slow traditional test-and-release cycles. What could have been running tomorrow is now set to run after the summer—maybe. This ‘slowest common denominator’ issue is becoming increasingly problematic as digital applications become more central to business and must interact closely with core systems.
  3. Two Speed IT hält vor allem größere Unternehmen davon ab, von den Vorteilen der Agilität zu profitieren: Within many two-speed companies, there is a well-entrenched notion that, changed world or not, the more methodical waterfall approach is still better suited for legacy and very large projects. But it’s not. Large projects are particularly susceptible to delays and rising costs, and tend to have very low success rates. Part of the problem is that testing comes only at the end of the process, so errors are found late in the game, when fixes become time-consuming, difficult, and expensive. Agile, with its iterative cycles and continuous testing, finds and corrects errors as development progresses. There is no last-minute—and nightmarish—back-to-the-drawing-board scenario.“ (BCG)

„Today, two-speed IT is a compromise that companies can no longer afford to make. The future of IT is one speed: all-agile.“ BCG Perspectives

BCG empfiehlt vor diesem Hintergrund, die IT-Entwicklungsprozesse gleich ganz auf „all agile“ umzustellen. Dafür spricht viel. Vor allem die Tatsache, dass nirgendwo sonst wie im IT-Kontext Flexibilität gefragt ist:

„In a world where customers have more choices than ever before, the ability to develop core systems faster and more flexibly is crucial. To quote Peter Jacobs, the CIO of ING Bank Netherlands: I would rather work agile at my core bank system than at the channels.”

Was aber soll man tun, wenn die eigenen IT-Organisation und die IT-Mitarbeiter noch nicht „all agile ready“ sind.

Hier sind aus unserer Sicht u.a. drei Dinge wichtig:

1. Shared purpose

Die erste Grundvoraussetzung ist keine technische, sondern eine zutiefst analoge. Auch IT-Mitarbeiter sind Menschen. Menschen müssen mitgenommen werden. Wer IT-Prozesse umstellt, muss seine Mannschaft mitnehmen. Dabei können klare IT-Leitbilder helfen. Insofern man sie mit der IT-Mannschaft zusammen entwickelt und diese auf die Reise mitnimmt.

2. Build-in flexiblity

Auch die zweite Grundvoraussetzung ist wiederum keine technische, sondern eine organisatorische. Die Einführung agiler Prozesse im Kernunternehmen kann nur gelingen, wenn die Einführung selbst eine „build-in flexibility or agility“ besitzt und nicht zum puren Dogmatismus verkommt:

A large established company is likely to implement agile very differently than a startup will. After all, bigger, older organizations must account for the layers of processes and hierarchy developed over the years. Similarly, agile will take different forms even within a single organization. Whereas one team may find two-week sprints optimal, another may determine that four or six weeks work better. Agile on a legacy mainframe, meanwhile, won’t look the same as agile on a mobile shopping app. And because some projects, like a major enterprise-resource-planning transformation, won’t lend themselves to going live in little pieces, agile may mean releasing code to the testing environment—but not the production environment—every day. Agile is a flexible set of principles, not a rigid doctrine. It should be implemented in that spirit.“ (BCG)

3. Richtiger Umgang mit der Technik

Das neue Leitbild der Agilität verlangt nicht nach weniger, sondern vielmehr nach mehr Disziplin im Umgang mit den neuen technischen Möglichkeiten. Kollaboration Plattformen wie SharePoint, Google for Work, Huddle, Box oder ZoHo Connect enthalten wichtige Tools, um das gemeinsame Zusammenarbeiten in agilen Prozessen zu fördern. Gleichzeitig bergen sie das große Risiko in sich, dass sie zu einem Information Overload führen, wenn man nicht richtig mit ihnen umgeht.

In einem Feedback zu Satya S. Chakravorty’s Artikel „The Trouble With Too Much Information“ in der amerikanischen Managementzeitschrift MIT Sloan Management Review, berichtet beispielsweise ein gewisser N Siddiqui:

„My own company went through an integration project where more than 50 processes were changed within a period of 6 months. The consultants, who were creating the documentation, were least worried about whether or not the employees are able to understand the new process. They just completed the new documents, loaded them to the sharepoint and forwarded everyone a link. When employees clicked on the new process document they had to sift through 20 pages in order get to one page worth information... I think simplification of instructions is an art that has been lost in an effort to being pompous.“

Und noch ein Beispiel: Wer größere Entwicklungsprojekte zu realisieren hat, tut gut daran, am Anfang des agilen Prozesses, allem notwendigen „Trial and Error“ zum Trotz, zumindest so etwas wie ein Grundpflichtenheft zu entwickeln. Immer wieder ist in der Praxis festzustellen, dass sich agile Entwicklungsprozesse erheblich verzögern können, wenn solche grundsätzlichen Pflichtenhefte gänzlich fehlen.

„Agile Projekte sind eine tolle Sache. Agile Projekte, die aus dem Ruder laufen, weil keiner weiß, was wer von wem eigentlich will, sind die Pest.“ Nina Diercks, Rechtsanwältin und Sachverständige für IT-Projekte

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Fehlen solche Grundpflichtenhefte und wird das Entwicklungsprojekt zudem mit einer Vielzahl externer Entwicklungspartner umgesetzt, dann kommt es im Falle von Verzögerungen, Schlechtleistungen, Mängeln bis hin zum Scheitern des Entwicklungsprojektes oft zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Scrum-Partnern.

„Mal angenommen, Sie nehmen es mit dem Lasten- und Pflichtenheft nicht so genau. Was passiert? Das Projekt läuft in der Regel früher oder später aus dem Ruder, denn es stellt sich heraus, dass die Parteien bei aller Anfangsenergie für das gemeinsame Projekt doch ganz andere Vorstellungen davon hatten, wohin den die Reise gehen sollte (...) Und nun? Wer zahlt hier jetzt für was? Ist was geleistet worden, was bezahlt werden muss? Oder liegt eine Schlechtleistung vor, für die allenfalls ein geminderter Zahlungsanspruch besteht? Liegt eine Projektverzögerung vor? Und wer hat die zu vertreten? Ja. Nein. Vielleicht so. Aber auch anders. (...)

Agile Projekte sind eine tolle Sache. Agile Projekte, die aus dem Ruder laufen, weil keiner weiß, was wer von wem eigentlich will, sind die Pest. Ein Vertrag, der die speziellen Eigenheiten von agilen Projekten berücksichtigt, schafft Strukturen, Sicherheit und Vertrauen, damit Sie sich mit Ihrem Geschäftspartner auf eben das Geschäft konzentrieren können“, so die Hamburger Rechtsanwältin und anerkannte Sachverständige für IT-Produkte, Nina Diercks in ihrem Social Media Rechts-Blog.

„Unternehmen werden bald gezwungen sein, ihre Art der Kooperation innerhalb der Firma kritisch zu beleuchten.“ Martijn Theunissen, Head of Application & Support, Lenze GmbH & Co. KG

Richtiger Umgang mit der Technik ist übrigens ein Thema, dass über die IT-Abteilung von Unternehmen weit hinausreicht. Auch in klassische Kernbereiche der Wirtschaft wie den Maschinenbau und die Produktionstechnologie findet die Digitalisierung ja heute mehr und mehr Eingang und mit ihr die Notwendigkeit nach kooperativen Arbeitskulturen auch in diesen Bereichen.

„Digitalisierung ist der Motor, Kooperation das Benzin für die Industrie 4.0“, so Martijn Theunissen, Head of Application & Support bei Lenze, einem Hersteller von Automatisierungssystemen mit Sitz in Aerzen.

Und weiter: „Die Industrie 4.0 löst die klassische Organisationsstruktur eines Maschinenbau-Unternehmens auf. Es wird auf Dauer nicht mehr so sein, dass die Elektronikabteilung den Lieferanten für Servoachsen auswählt, die Mechanikabteilung Lieferanten für Getriebemotoren und so weiter. Unternehmen werden bald gezwungen sein, ihre Art der Kooperation innerhalb der Firma kritisch zu beleuchten. Das wird sich mit Sicherheit ändern. Die Abteilungen werden in Zukunft stärker zusammenarbeiten und kommunizieren. (...)

Kooperation bedeutet auch Konfliktpotenzial. (...) Konflikte sind gut. Wenn sich unsere Experten vor dem weißen Blatt Papier über das beste Konzept für eine Verpackungsmaschine streiten, dann können Sie sicher sein, dass am Ende die beste Lösung dabei rauskommt. Ich möchte auch erreichen, dass unsere Experten intensiv miteinander in Kontakt stehen, länderübergreifend natürlich, damit das Expertenwissen, das wir in unserem Unternehmen haben, noch besser wird.“

Die hier aufgeführten Beispiele veranschaulichen, dass selbst in sehr technischen Bereichen wie der IT, der Konstruktion, dem Maschinenbau gerade in Zeiten der allgemeinen digitalen Transformation analoge Fähigkeiten mehr denn je gefragt sind.

Das zeigt sich nicht zuletzt auch im Bereich der Sicherheit, der in Zeiten der Digitalisierung eng mit dem der IT eng verknüpft ist. Dazu mehr im nächsten Kapitel.

Abb. 14: Transaktionale Ebenen der digitalen Führung (© hm+p)